Naila - In der Aula des Hochfranken-Gymnasiums Naila hing eine kolumbianische Flagge, sie war ein Gastgeschenk. Der 15-jährige Daniel Uribe-Villegas hatte sie an seinem ersten Tag in der Schule Rektor Lothar Braun übergeben, das war fast schon vor einem halben Jahr. Braun ließ die Flagge für alle sichtbar anbringen - als ein Zeichen, dass wieder ein Austauschschüler an der Schule verweilt, wie vor einem Jahr Mauricio Escobar Uribe.
Experimente zu Tisch
Daniel war schnell vertraut mit mancher Gepflogenheit, er schwärmte zum Beispiel von Wellfleisch, das es jeden Dienstag als Brotzeit in der Schule gibt - extra für ihn. "Die Hausmeister haben Daniel vom Wellfleisch vorgeschwärmt, einmal mitbestellt, und seitdem gehört es einfach dazu", erklärte lachend Peter Herdegen, in dessen Familie der Gastschüler während seines Aufenthaltes lebte. "Es schmeckt gut, ist aber ein bisschen fett", lautete der Kommentar des Teenagers. "Auch Rouladen und Klöße, Blut- und Leberwürste, ja selbst gebackenes Blut hat Daniel probiert", erzählte Beate Herdegen begeistert.
"Die Kolumbianer leben einfach ein bisschen lässiger, was das Leben auch leichter macht", erklärte Beate Herdegen. "Die leichte Mentalität fehlt uns einfach. Wir gehen zum Lachen in der Keller, und das ist schlimm." Für ein halbes Jahr wohnte der 15-Jährige im Hause von Beate und Peter Herdegen, die von ihrem Schützling begeistert waren. "Wir nennen sie Sonnenkinder", erzählte die Gastmutter. "Sie lachen einfach immer, das ist ansteckend." Daniel blickte spitzbübisch, lauschte den Ausführungen und lachte. "Beate hat das putzigste Lachen", sagte er.
Auch ein bisschen Dialekt hatte der Teenager gelernt. Beate Herdegen erzählte von dem Malheur, als ihr ein Teller runterfiel und Daniel kommentierte: "Na sauber!" Auch "ned" und "a weng" oder "na klar" kamen problemlos an den passenden Stellen über seine Lippen.
Daniel kam am 4. Januar in Naila an und ist mittlerweile wieder in seine Heimat zurückgeflogen. 13 Stunden Flugzeit und sieben Zeitzonen liegen zwischen Daniels Heimatstadt und dem Gastquartier im Frankenwald, weiß Gastvater Peter Herdegen. "Eine Reise um die halbe Welt." Der etwas schüchterne, sympathische Kolumbianer besuchte während seines Aufenthaltes das Hochfranken-Gymnasium Naila, lernte die nähere und weitere Umgebung kennen, Land und Leute eben. Dabei besuchte der junge Mann auch Rothenburg ob der Tauber, Berlin, den Europapark, München, Stuttgart und besuchte in den Osterferien Bekannte in Spanien.
Letztendlich war der Aufenthalt nicht privater Natur, denn der halbjährige Auslandsaufenthalt ist Pflicht beim Schulbesuch in der kolumbianischen Heimatstadt von Daniel. Er ist die Voraussetzung, um die Schule in drei Jahren mit dem internationalen Abitur abzuschließen. "Mit diesem Abschluss kann Daniel dann weltweit studieren", erklärte Peter Herdegen, der auch weiß, dass deutsche Schulen als Eliteschule gelten und die Eltern dafür eine Menge Geld bezahlen müssen. "Ein Abbruch des Auslandsaufenthaltes etwa wegen Heimweh zieht das Verlassen der Schule nach sich."
Heimweh verfliegt
Und Heimweh hatte Daniel am Anfang schon, gestand er. Aber glücklicherweise gibt es ja Internet, sodass der Kontakt zur Familie nie abbrach. Bei dem Aufenthalt in Deutschland ging es hauptsächlich darum, die Deutschkenntnisse zu verbessern. "Daniel versteht jetzt alles", sagte Beate Herdegen.
Daniels Wunsch ist es, einmal wieder in den Frankenwald und nach Naila zu kommen. Dabei steht natürlich der Besuch der Familie Herdegen ganz obenan. Doch jetzt ist er wieder zu Hause, der Abschied ging mit einem lachenden und einem weinenden Auge über die Bühne und der Versicherung: "Mir hat es in Naila und in der Schule sehr gut gefallen." Wer mehr über Daniel wissen will, kann auf der Homepage www.daniel-in-naila-de.tl weiterlesen.